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Brief: an GGG (Gesellschaft für das Gute und Gemeinnüzige)

mc 30.7.06

Betrifft: Atelierraum-Vergabe im Atelierhaus an der Froburgstrasse 4, Basel

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Niggi

Als ich erfahren habe, dass Sie das Atelierhaus an der Froburgstrasse 4 zukünftig nur noch kurzfristig an jüngere Kunstschaffende vermieten werden, hatte ich zuerst einmal ein gutes empfinden. Die grundsätzlichen Überlegungen, die wir damals, im Werkraum Warteck pp mit dem pp anstellten, vorgängig im Schlotterbeck überprüften und noch früher bei den Kasernen-Ateliers in frage stellten, greifen Sie mit Euerem Entscheid nun auf. Genauer betrachtet wirft der Entscheid jedoch Fragen auf.

Kunst und Existenz:
Kunst, als kultureller Höhepunkt verstanden, wo Menschen persönliche Ergebnisse in verdichteter Form schaffen und so Zeugnis bieten intensiver Auseinandersetzung, braucht Raum der Inspiration, Raum der Auseinandersetzung und Raum der Mitteilung. Künstlerische Auseinandersetzung ist Forschung. Sie findet meist in Laboratorien, Ateliers statt. Kunst ist für die Menschen-Gesellschaft das Gut, mit dem sie ihre inneren Werte seismographisch aufspüren kann. Mehr oder weniger hat jeder Mensch das Potenzial Kunst zu schaffen. Sich zu dieser Auseinandersetzung einzulassen bringt oft eine persönliche existenzielle Not. Um intensiv dieser Arbeit zu widmen braucht es günstige Randbedingungen, sei dies durch einen günstigen Wohnraum, Atelierraum und wenn erforderlich zusätzlich einen Broterwerb der das Einkommen verschafft.

Kunstförderung:
Wenn das Kunstschaffen gefördert werden will, kann dies personengebunden und werkgebunden geschehen oder in dem die Randbedingungen optimiert werden. Was auf jeden Fall wesentlich ist für eine Kunstförderung, ist das wahrhafte Interessen dazu.

Kunstschulabgänger:
Seit die Kunstausbildung vermehrt in Form eines Hochschulabschlusses erfolgt, wird der Anspruch der Anerkennung eines Berufs als Künstlers oder Künstlerin beansprucht. Diese Schulabgänger erwarten eine entsprechende Berufsfortsetzung. Sie brauchen Raum.
Kunst kann aber kein Beruf sein. Kunst kann aus Berufung erfolgen und dies ist wesentlich! Während beim Theater oder in der Musik die Studierenden eine Ausbildung erlernen mit der sie danach mit einem Engagement in einem Theater oder in einem Orchester rechnen können, ist dies im bildenden Bereich nicht möglich. Es gibt für die Kunstschulabgänger nur den Weg der Selbständigkeit, es sei den sie haben vorher einen spezifischen Beruf erlernt.

Atelierbedarf:
Wer sich selbständig macht braucht ein Domizil. Die einen brauchen nur einen Briefkasten und andere benötigen einen grösseren parterre liegenden lichtdurchflutenden Raum.
Als junger Kunstschaffender habe ich in einer schäbigen verlotterten Wohnung meine ersten Experimente durchgeführt und die Verbindung mit dem Wohnen gab mir die finanzielle Möglichkeit minimal aber Existenz sichernd zu leben. Nachhinein kann ich feststellen, dass ich meine Räumlichkeiten immer privat gefunden habe.
Jeder junge Mensch braucht Raum zum experimentieren. Für Kunstschaffende im bildenden Bereich ist dieser Bedarf extrem. Für einen Steinbildhauer, der in der Stadt Basel tätig sein will, ist dies gerade noch ein Quantensprung heftiger. Dies habe ich erfahren. Ein idealer Raum für meine Arbeit habe ich bis anhin nicht gefunden!

Stadtentwicklung und Kunst:
In Basel hat sich, seit den Achtzigerjahren, eine Zwischennutzungskultur entwickelt die mittlerweile etabliert ist. Daraus wurden eigenständige grosse Kulturraum-Projekte entwickelt, in denen auch langfristig Atelierräume geschaffen wurden. Erfreulicher Weise hat sich die GGG immer wieder namhaft an solchen Projekten beteiligt.
Generell darf man sagen, dass in Basel die Atelierfrage relativ gut, zum Teil zu grosszügig, gelöst wurde. Vielleicht braucht es eine permanente „Raumunruhe“ für ein interessantes urbanes Stadtleben. Vergessene Orte, die von jungen kreativen Menschen entdeckt und „erobert“ werden können, fehlen immer mehr. Leider werden solche Orte als wie schneller aufgegriffen, fertig geplant und überbaut. Das verspricht kaum eine interessante kulturelle Entwicklung.

Atelierraum in der Breite und der GGG-Entscheid:
Mit dem Entscheid, die bestehenden Mietverträge im erwähnten Atelierhaus zu künden haben es sich die zuständigen Leute der GGG relativ einfach gemacht. Eine zu begrüssende Vision, für junge Kunstschaffende kurzfristig Atelierraum zu schaffen und so zu fördern, wird zur Frasse.
Zur Zeit stehen in der Breite verschiedenste Räumlichkeit für einige Zeit leer. So das ganze UG im Breite-Zentrum, dass von der GGG Breite AG initiiert wurde oder die durch diesem Umbau freigewordenen Räumen im Saalbau Breite, so der Kindergarten die ehemaligen Quartiertreff-Räume und der grosse Saal in der die GGG die Bibliothek hatte. Gerade eine GGG, die ein ausgereiftes Beziehungsnetz aufweist und eine gute Praxis mit ehrenamtlichen Aufgaben aufweist könnte hier interessanteres initiieren. Wenn ich denke alleine in der Breite hätte es zur Zeit viermal soviel besten Atelier-Raum kurzfristig zu erschliessen. Schade, hier wurde zu kurz gedacht!
Das Atelierhaus in der Froburgstrasse 4 ist ein langfristiges Projekt, dass dementsprechend genutzt werden soll. Kurzfristige Nutzungen sind hier kaum förderlich, es sei den es gäbe eine Mischform. Prinzipiell kann ich mir sehr gut vorstellen, dass in jedem Atelierhaus z.B. bis zu einem Viertel der Atelierräume für Junge Menschen für kurze Zeit bereitgestellt würden. Was hierbei zu beachten wäre, ist das soziale Leben. So möchte ich insbesondere Eric Marchalk erwähnen, der sehbehindert, seit Jahren in diesem Haus, einen bescheidenen Raum mieten kann und durch seine Nachbarn, Stefan Tramer und Manfred Cueni, betreut wird. So einen Eingriff darf sich die GGG nicht erlauben, dass ist asozial und widerspricht in jeder Weise den Grundsätzen der Institution.

Darf ich Euch bitten diese Sache nochmals zu überdenken.

Mit freundlichen Grüssen

Michele Cordasco