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Brief an das Präsidialdepartement Basel-Stadt

Michele Cordasco
Steinbildhauer
Weidengasse 49
4052 Basel                  

9. März 2015                       
Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt
z.H. Markus Ritter
Rathaus
4001 Basel


Betrifft:    Vorübergehende Schliessung der Skulpturhalle Basel


Lieber Markus

Wie Dir bekannt ist, bin ich seit vielen Jahren mit der Skulpturhalle verbunden. Seit Beginn des Jahres 2008 bin ich wieder als freier Mitarbeiter für die Skulpturhalle tätig und führe die noch selten anfallenden Bildhauerarbeiten in der Abgusswerkstatt aus. Es sind vor allem Auftragsarbeiten von Dritten, welche ich für das Museum erstelle. Die internen Arbeiten wurden nach und nach aus Spargründen auf das aller notwendigste reduziert. Als letzten Skulpturengiesser dieser Werkstatt habe ich letzte Woche von der Direktion des Antikenmuseum persönlich mitgeteilt bekommen, dass die Regierung die Skulpturhalle bis zum Einzug in die Augustinergasse schliessen will. Das Museum will dies verhindern in dem sie die geforderten Einsparungen anderweitig erfüllen möchten. Dazu muss unter anderem die Abgusswerkstatt an der Schanzenstrasse aufgeben werden.
Ich mag nicht lang und breit erläutern weshalb ich diese vorübergehende Schliessung schlecht und sogar als grossen Unfug finde. Wie Du es von mir kennst, sehe ich in solchen Tiefschlägen immer auch die Herausforderung das Gute heraus zu schälen und aus dieser neu geschaffenen Situation neues zu kreieren.

Unser gemeinsames Tun während der Werkraumbewegung hat uns interessante Ansätze aufgezeigt an denen ich immer wieder anknüpfen kann. So auch jetzt.
Ich bitte Dich, meine nachfolgenden ausführlichen Gedanken zu meinem Museumsverständnis, zur Skulpturhalle und zu einem möglichen erweiterten Weg der Skulpturhallenwerkstatt Zeit zu nehmen und mögliche Erkenntnisse angeregt in das Präsidialdepartement hinein zu tragen.

Mit einem lieben Gruss

Michele Cordasco


Kopie an:    
Ella van der Meijden
Andrea Bignasca

 

Mein Bezug zur Skulpturhalle
1979 wurde ich von Ernst Berger angefragt, die von Ludwig Stocker rekonstruierten Giebelfiguren für das Parthenon-Modell im Massstab 1:20 nachzubilden. Weitere Bildhauerarbeiten folgten und so wurde ich ein Teil des Teams, welches an der grossen Parthenon-Ausstellung arbeiten durfte. Es war für mich eine aufregende Zeit, denn ohne Kenntnis der griechischen Kultur und deren Mythen, ich stamm doch eher aus einem kulturarmen Haushalt, durfte ich an einem Prozess teilhaben, der weit mehr war als nur schöne Skulpturen nachzubilden. Mit dem Parthenon-Kongress, der vom 4. bis 8. April 1982 dauerte, erlangte die Skulpturhalle ihren Höhepunkt. Es war ein gigantischer Kraftakt der damals Basel zum Zentrum der Parthenonforschung machte. Es war die Zeit, in der die Skulpturhalle ein reges Tummelfeld wissenschaftlichem Tun Platz bot und hier in der etwas nüchternen Halle die Welt empfing. Die weitsichtige und begnadete Fähigkeit des damaligen Museumsdirektors Prof. Dr. Ernst Berger mit seinen Gönnern ist es zu verdanken, dass die Skulpturhalle als Teil des Antikenmuseums heute so gut aufgestellt ist und seit dem, jeglichen Modeströmungen unabhängig, existieren kann und wirken darf!

Neues Museumsverständnis
In dieser Zeit bewegte ich mich aktiv in der Kunstszene und ging unter anderem dem erweiterten Kunstbegriff von Josef Beuys nach. Die Jugendbewegung und darauf die «Alte Stadtgärtnerei» führte hin zur Werkraumbewegung in der wir beide aktiv Teil nahmen. Damals war ich auch gut 15 Jahre als Ablöse-Fährmann auf der St. Alban-Fähre tätig und hier erfuhr ich folgende Geschichte, welche mein Museumsverständnis neu prägte:

«… Im Oktober 1848 wurde im Schosse des Vorstandes der Basler Künstlergesellschaft, die Johann Jakob Imhof (Basler Ratsherr) während 25 Jahren präsdierte, erstmals der Plan für die Erbauung einer „fliegenden Brücke für Fussgänger“ besprochen. Nach längeren Vorbereitungen, der Gründung einer Aktiengesellschaft und einem Konzessionsgesuch an die Hohe Regierung konnte am 4. November 1854 die erste Fähre über den Rhein ihren Betrieb aufnehmen. …» «… Der Basler Kunstverein betrieb die Fähren bis 1954. Das während Jahrzehnten florierende Geschäft hat entscheidend zur Finanzierung der Kunsthalle am Steinenberg mitgeholfen. …» Eugen A. Meier „z’Basel an mym Rhy“

Ausgerechnet ein Ratsherr und die Künstlergesellschaft, der heutige Kunstverein, hatten die innovative Idee diese damals gesellschaftlich und wirtschaftlich bedeutenden Verkehrsmittel in Basel zu realisieren und zu betreiben und schuf so die finanzielle Basis des Kunsthallenbaus mit der damaligen Skulpturhalle!

Viele Jahre später wurde der Stiftungsratspräsident der Basler Fähren Herrn Dr. Nydegger abgelöst und eine junge Generation von Jungpolitiker hat sich um die Verantwortung der Stiftung und des Fährvereins bemüht. Um sich zu profilieren versuchten sie sich innovativ einzubringen. Ihr Einsatz galt fortan nicht nur dem Unterhalt der Boote und zur gegebener Zeit, deren Neubau, sondern, die Fährflotte sollte in moderner Bauweise erneuert werden. Dass dabei die alte traditionelle Bauweise mit Rungen und genähten Lerchenholzbrettern aufgegeben wurde, hat mich als Handwerker doch sehr verblüfft. Statt sich für eine moderne Leichtbauweise von Booten zu bemühen, welche die Längsbefahrung des Rheines ermöglichen würde, also eine wirkliche zeitgemässe Idee aufzugreifen, verbleiben die genialen Köpfe im Kleinen und lassen das letzte Wissen des hiesigen Bootsbaus sorglos vergessen. Die Waldmeier’s in Mumpf hatten seit Jahrzehnten jeweils vorsorglich das beste Lerchenholz angeschafft und für den nächsten Fährbootbau, der alle 10 bis 20 Jahre anstand, gelagert. Unverhofft erfuhren sie von Dritten, dass sie die Fährboote nicht mehr bauen werden.

Bei dieser Kurzsichtigkeit und dem Verlust des persönlichen Kontaktes geht soviel verloren! Dabei könnte mit dieser Geschichte unser neues Museumsverständnisse beschrieben sein. Statt unbedacht ein lebendiges Wissen aufzugeben könnte dieses in den Ausbildungsbereich angesiedelt werden und so wenigstens alle 10 Jahre, junge Zimmerleute die Erfahrung vom Weidling- und Fährbootbau ermöglichen um so diese Erfahrung in der Zukunft lebendig weiter erhalten zu können.
Statt in nüchternen Vitrinen und mit alten Bildern die letzten zusammengetragen Hinweise dieser alten Kulturtechnik zu lagern und bestenfalls mal in einer spektakulären Themenausstellung zu zeigen, könnten die vielleicht noch bestehenden Pläne, Werkzeuge und Massschablonen im Museum an Lager genommen und zur gegebenen Zeit einer Zimmerei für den nächsten Fährbootbau bereitgestellt werden.
An Hand dieses Beispiels möchte ich aufzeigen, dass ein alltagbezogener Kulturgütererhalt sehr wohl möglich und lebendig sein kann und so über einen traditionellen Museumsbetrieb hinaus wachsen könnte.

Wenn die Antike mit der Moderne
Zurück zur Skulpturhalle. Bei den Bildhauerarbeiten für die Parthenon-Ausstellung beschäftigte mich die Bilddarstellung der Antike im Vergleich zur damaligen aktuellen Zeit der Achtzigerjahre. Dies war für mich so anregend, dass ich darauf, das damals noch neue Medium Video, in der neu geschaffenen Videofachklasse an der heutigen Hochschule für Kunst in Basel studierte (1985-88).
Mittlerweile hat sich die Medienlandschaft enorm erweitert. Im Informationsbereich wurde mit dem Internet alles schneller und zugänglicher. Mit der 3D-Technik können kleinste Objekte bis zu grossen Monumentalbauten fotografisch aufgenommen, aufbereitet und digital räumlich dargestellt werden. Mit 3D-Fräser und 3D-Drucker können Objekte beinahe in jeglichem Material und jeglicher Grösse hergestellt werden. Der Aufwand dazu liegt vermehr in der Technik und weniger in der inhaltlichen Auseinandersetzung und dies natürlich auch zu seinem Preis; und dazu habe ich Fragen aber auch meine Bedenken.
Es ist interessant zu beobachten, wie wir Menschen seit jeher uns in der Darstellung der Wirklichkeit investieren. Was früher in einem Bauwerk in Stein gehauen war musste zwangsläufig bedeutsam sein. Heute bieten die modernen Medien wie z.B. das Fernsehen oder die Plattform YouTube diese Möglichkeiten. Interessant ist, dass meistens Personen in Posen und Aktionen dargestellt sind. Das Bild das wir individuell als Menschen abgeben ist seit jeher eitel und wesentlich. Die Skulpturhalle lässt grüssen!

Museum und Werkstatt
Letzthin hatte ich Besuch von Noha. Er ist bereits sieben Jahre alt und staunte in meinem Atelier. Plötzlich sagte er spontan und unverhofft: «Du bi dir isch’s wie immene Museum» – dann folgte eine kleine Pause – «aber viel schöner».
Im Ateliers kann man Sachen entdecken die in Bezug zu Neuem stehen. Das Wirken und Werken das Gelingen und Misslingen von Versuchen und Experimenten, die Spuren vom Schaffen, all das zusammen ist das was einem ins Staunen bringt, anregt und Lust zum Eintauchen versprüht. Diese Erfahrung brachte mich zur Aussage: «Ein Museum ohne Werkstatt stirbt!» Die Skulpturhalle muss ja nicht wieder zum Bienenhaus werden wie damals zu Bergers Zeiten. Doch das Zusammenwirken von Akademikerinnen, Studenten, Handwerkern und Kunstschaffenden, wie ich es damals erfahren konnte war hoch spannend. Entdeckungen waren möglich weil die alltägliche praktische Erfahrung mit dem erweitertem Wissen vergangener Zeiten zusammen fand. Die Skulpturhalle funktionierte als ein grosses Atelier.
Nach dieser Zeit wurde am Betrieb gespart und gespart, bis 2008 das letzte Personal der Werkstatt pensioniert und gekündigt wurde. Seit dem darf ich als selbständiger Mitarbeiter die nötigsten Arbeiten wie bereits beschrieben erledigen. Letzten Dienstag hat mir nun die Museumsdirektion die Schliessung der Abgusswerkstatt angekündigt.

Pilotprojekt bis zum Einzug in die Augustinergasse
Wenn ich nun doch den vorübergehenden Schliessungsentscheid kurz kritisiere, dann mit dem Hinweiss, dass der Regierungsratentscheid der Museumsleitung erst kurz vor der öffentlichen Bekanntmachung, also am selben Tag erst mitteilte. In Unkenntnis von wesentlichen Fakten wurde in einem Gremium entschieden und wiederum könnte durch Verlust des persönlichen Kontaktes soviel verloren gehen!

Die Skulpturhalle auch nur vorübergehend zu schliessen und die fragilen Skulpturen einzulagern ist nicht realistisch und dies wird demnächst auch die  Behörde erkennen. Insofern ist der grosse materielle Schaden abgewendet. Was mich eher betrübt, und das ist für mich wesentlicher, ist, dass diese spannende Bildungsstätte als Forschungs- und Entwicklungsort längst aufgegeben wurde. Mit sparsamen Mitteln werden immer wieder erneut interessante Themenausstellungen errichtet doch vom Museumsbetrieb werden quotenstarke Auftritte erwartet. Die Skulpturhalle ist aber nicht dafür geschaffen!
Es fehlt der Werkstattbetrieb! Wir beide wissen aus der Werkraumzeit, wie befruchtend das Zusammensein von Werkstätten und Geistesstätten sind. Das Auseinandertriften von Handwerk und Geistesleben birgt in der Tat ein immer grösser werdender Kulturverlust.

Im Gespräch mit Herrn Bignasca bat ich darum mir Zeit zu geben um eine Lösung für die Werkstatt zu finden. Mein Ziel, das Handwerk der Abgusstechniken und des Skulpturengiessens einer jüngeren Generation weiter zu geben, möchte ich nicht aufgeben – im Gegenteil. Jetzt bietet sich sogar die Möglichkeit die schon lang fällige Annäherung zur Kunsthochschule auch im Bereich der Werkstatt zu vollziehen. Auch weiteren, den neuen Techniken offenstehenden Gruppierungen, wie zum Beispiel die starship-factory.ch, kann die Werkstatt sich öffnen und so das Wissen und Schaffen mit der aktuellen 3D-Techniken ermöglichen.

Statt die noch anfallenden Arbeiten soweit als möglich in meinem Atelier auszuführen, schlage ich vor die Abgusswerkstatt an der Schanzenstrasse in neuer erweiterter Form als Pilotprojekt bis zum Einzug in die Augustinergasse zu betreiben. Hier zu bitte ich um Unterstützung.


PS. Ich wünsche mir wieder die innovative Haltung wie sie Jakob Johann Imhof hatte.

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